Lohnt sich das Internet-Business fĂĽr Augenoptiker?

14. Februar 2013 | Von | Kategorie: Information

Das Internet-Business ist derzeit in aller Munde. Ob Mister Spex, LensCARE (4CARE AG), Tchibo oder die Brille Bitte AG, einer der Newcomer in der Szene. Viele Investoren wünschen an dem Wachstumsmarkt Internet teilhaben zu können. Auch Augenoptiker sehen hier eine große Chance, Geld zu verdienen.

Aus diesem Grund möchten wir Ihnen einen kleinen Einblick in die Ergebnisse verschiedener Unternehmen (Mister Spex GmbH, 4CARE AG jetzt 4CARE GmbH) geben, damit Sie beurteilen können, ob Sie diesem Markt gewachsen sind, bzw. das nötige Wachstumskapital  aufbringen können. Im Falle eines Investments werden Sie dieses Kapital sicher brauchen.

Aus dem Lagebericht der Mister Spex GmbH (veröffentlicht am 28.01.2013) ist zu entnehmen, dass Mister Spex seinen Umsatz in 2011 um 51,9% steigert und im gleichen Zeitraum seinen Verlust um 50,5% erhöht. Seit Gründung im Jahre 2007 ist das gesamte Eigenkapital aufgezehrt. Mister Spex weist in seinem Lagebericht vom 28.01.2013 ein negatives Eigenkapital in Höhe -1,025 Mio EUR für das Geschäftsjahr 2011 aus. Nur durch die Hinzurechnung der Gesellschafterdarlehen schafft es Mister Spex zumindest ein positives „wirtschaftliches Eigenkapital“ in Höhe 1.05 Mio EUR auszuweisen. Der Verlustvortrag erhöht sich somit in 2011 auf 8,81 Mio. EUR. Sieht so ein erfolgreiches Internetgeschäft aus?

 

4careAuch die 4CARE AG, jetzt 4CARE GmbH (ehemals Lanscare AG, bzw. Onlinehändler von Lensbest.de) schließt in 2011 laut Pressemitteilung vom August 2012 mit zweistelligem Umsatzwachstum ab. Im gleichen Jahr (2012) zieht sich ungewöhnlicher Weise der Kapitalgeber aus der 4CARE AG zurück und Bernd Behrens und Marco Siegmund übernehmen in 2012 (in Form eines Management-buy-outs) 100% der Kieler 4CARE AG. Im Zuge der Übernahme wurde die Gesellschaft in eine GmbH umgewandelt. Sieht so eine erfolgreiche Geschäftspartnerschaft aus? Ist es das Ziel eines Kapitalgebers aus einem Investment auszusteigen, das gerade dabei ist, sich überaus profitabel zu entwickeln?

 

Für viele Marktbeobachter ist es ein Phänomen. Da gründen Unternehmer Versandgeschäfte und bieten zu Dumpingpreisen Produkte über das Internet an, die im stationären Handel gefühlt das Doppelte kosten. Wobei die Realität diesbezüglich oft ganz anders aussieht.

Tchibo bietet zuletzt über den Handelspartner 4CARE AG (lensbest.de) Gleitsichtbrillen mit „sehr guten Gleitsichtgläsern“ für 79,95 EUR an. Kann ein TchiboUnternehmen mit solchen Angeboten „reich“ werden. Wenn Sie in Zukunft die Ergebnisse und Veröffentlichungen der 4CARE GmbH verfolgen, werden Sie hierzu sicher Antworten erhalten. Wenn das Unternehmen „erfolgreich“ ist, stellt sich die Frage, warum die Gesellschaft im Rahmen eines „Management buy out“ übernommen wurde.

Ein Blick in die Veröffentlichungen des Unternehmens 4CARE AG vom 13.2.2012 zeigt, dass, im Gegensatz zu Mister Spex, das Eigenkapital noch vorhanden ist. Im Geschäftsjahr 2010 (letzte Veröffentlichung) stieg das Eigenkapital um 195.891,05 EUR auf 1.488.693,27 EUR. Da die 4 CARE AG in Ihren Veröffentlichungen davon absieht, die Eigenkapitalentwicklung differenziert aufzuführen, bleibt hier lediglich die Annahme, dass es dem erfolgreichsten Unternehmen in der Branche gelungen ist, profitabel zu arbeiten und einen Gewinn in Höhe 195.891,05 auszuweisen, der dieser (veröffentlichten) Eigenkapitalentwicklung entspricht.

Viele Branchenteilnehmer liebäugeln mit dem Projekt „Internethandel“. Aber ist es wirklich so profitabel, wie in vielen Fachbeiträgen dargestellt?

Für das Geschäftsjahr 2008 veröffentlichte die 4 CARE AG am 15.5.2009 noch einen Gewinn in Höhe von 421.442,89 EUR. Im Geschäftsjahr 2009 reduzierte sich der Gewinn um 30% auf 291.904,50 EUR (Siehe Veröffentlichung vom 21.01.2011): In Geschäftsjahr 2010 reduzierte sich der Gewinn (so unsere Annahme) weiter auf ca. 195.891 EUR (-54% zu 2008), wenn man davon ausgeht, dass die Eigenkapitalverbesserung in der veröffentlichten Bilanz aus dem positiven Jahresergebnis beruht.

Der Verlustvortrag betrug in 2008 noch -1.654.949,08 EUR. Bis 2011 wurde dieser mehr als halbiert. Im Gegensatz zur Mister Spex GmbH, die im Geschäftsjahr 2011 ihren Verlustvortrag um -4.489.489,88 EUR auf -8.811.272,19 EUR steigerten. Somit kann man aus dieser Perspektive bei der 4CARE AG wirklich von einer positiven Entwicklung sprechen. Durch den Ausstieg des Investors ist aber zu mutmaßen, dass diese Entwicklungen aus Investorensicht nicht ausreichend genug ist. Es stellt sich hier natürlich die Frage, wann sich das eingesetzte Kapital erfolgreich verzinst. Bei einem Ausstieg eines Investors darf an dieser Stelle zumindest vermutet werden, dass der Erfolg nicht den gesetzten Zielen entspricht.

 

Wie sieht es hier bei Mister Spex aus?
Mr.-Spex

 

 

Ein erfolgreiches Unternehmen – schaut man auf die Umsatzentwicklung!

  • 50,9% Umsatzsteigerung bzw.
  • 64% Rohertragssteigerung in 2011.

Das ist aus unserer Sicht eine Ansage. Aber zu welchem Preis wurden diese Steigerungen erzielt?

Die Personalkosten stiegen in 2011 aufgrund der Erhöhung der Managementkapazitäten um 1,3 Mio EUR (+61%).

Die Abschreibungen erhöhten sich aufgrund

  • Investitionen in die IT-Infrastruktur
  • Inbetriebnahme des ERP-System
  • EinfĂĽhrung neuer Tracking- und CRM-Systeme

in 2011 um 95 TEUR (+82%). In 2012 sind weitere Investitionen in

  • die Erweiterungen des ERP-Systems
  • den Ausbau des Data Ware House-Systems.
  • die Investition in die 3D-Anprobe
  • die Inbetriebnahme einer neuen Logistikfläche
  • Investitionen in Automatisierungen sowie neuer Lagerinfrastruktur

geplant.

Ein weiterer zentraler Punkt ist auch der Aufbau des Partnernetzwerkes mit lokalen Optikern in Deutschland. Hier sieht Mister Spex weiteres Wachstumspotenzial.

Die sonstigen Ausgaben stiegen um 2,49 Mio. EUR (+57%).

Ist Mister Spex erfolgreich? Die Umsatzentwicklung scheint Mister Spex Recht zu geben. Aber was zeigt das Ergebnis? 2011 schloss Mister Spex mit einem Verlust von -4,071 Mio. EUR ab. Der Verlustvortrag erhöht sich somit auf -8,81 Mio EUR. Das Eigenkapital ist aufgezehrt. Lediglich durch die Einbeziehung der Gesellschafterdarlehen wird ein „wirtschaftliches Eigenkapital“ in Höhe von 1,005 Mio EUR ausgewiesen.

Um das finanzielle Risiko zu begegnen, führte die Mister Spex GmbH im Juni 2012 eine Kapitalerhöhung durch, in der alle Wandeldarlehen in Eigenkapital umgewandelt wurden. Somit wurde dem Risiko erfolgreich begegnet.

In Zukunft plant Mister Spex auch weitere Personaleinstellungen bzw. Erhöhung der Managementkapazitäten. Aus dem Lagebericht vom 28.01.13 ist ferner zu entnehmen, dass zur Früherkennung von IT-Risiken und Überwachung der Prozesse ein KPI-Set entwickelt wurde. Dieses kontrolliert das aktuelle Umsatzvolumen und die getätigten Transaktionen. Bei Normabweichungen werden entsprechende Auffälligkeiten gemeldet. Zudem wurde die Serverlandschaft Anfang 2012 umgestellt. Das garantiert einen deutlich robusteren Datentransfer und fängt anfallende Spitzenbelastungen auf. Aufgrund des geplanten Wachstums ist auch für die Zukunft geplant, dass die eingesetzte Hard- und Software stets auf einem aktuellen Stand ist.

Sie sehen, die Neuinvestitionen nehmen auch hier kein Ende.

Investoren bzw. interessierte Augenoptiker sollten aus diesem Grund in Ruhe überlegen, was sie mit ihrem Geld machen. Wir stellen nicht in Abrede, dass irgendjemand irgendwann hier Geld verdient und auch wirklich nach Hause trägt. Aber wir können heute noch nicht sagen, wer es ist.

Die Chancen sind groĂź. So groĂź, dass viele Marktteilnehmer die Kontrolle ĂĽber sich selbst, den eigenen Erfahrungen und den Geldbeutel verlieren.

Augenoptiker, die vor einem Jahr in Aktien von Essilor oder Luxottica investiert haben, können sich hier über Kurssteigerungen in Höhe von 25-30% erfreuen. Gewinne, die sich auch realisieren lassen.

Die Risiken im Onlinegeschäft werden oft ausgeblendet. Mister Spex schreibt hierzu: „Wesentliche Marktrisiken für die Mister Spex GmbH sind derzeit nicht zu erkennen. Der Markt entwickelt sich weiter dynamisch und mögliche regulatorische Einschränkungen sind derzeit nicht absehbar. Der Markteintritt neuer Wettbewerber in den Onlineoptik-Markt stellt für Mister Spex sowohl ein Risiko als auch eine Chance dar, da zusätzliche Wettbewerber auch zur Entwicklung des Onlinemarktes in der Summe beitragen werden.“

Hier trifft Mister Spex in die Wunde. Der zusätzliche Wettbewerb treibt auch die Kunden ins Netz. Wenn also der traditionelle Augenoptiker, die Verbände und Hersteller diese Entwicklung weiter fördern möchten, könnte das, wenn man Mister Spex wörtlich nimmt, eine Chance für das Unternehmen sein. Diesen Punkt sehen wir genauso. Aus unserer Sicht prügelt die Branche die Kunden förmlich ins Netz. Die Mühen und Anstrengungen den Kunden nicht im Laden zu sehen, sondern zu motivieren, im Netz zu kaufen steigen stetig. Unglaublich, aber wahr. Hunderte traditionelle Augenoptiker sind schon Partner bei Mister Spex.

Welche Motive die Partnerbetriebe verfolgen sind uns noch unklar. Aber es muss jeder Betrieb selbst entscheiden, ob er seine Kunden ins Internet schickt oder nicht.

 

Die Risiken im Onlinegeschäft bewerten wir weiterhin als hoch. In Zukunft wird es auch hier eine Marktverdrängung geben, denn es werden einen Vielzahl an Internetshops hinzukommen. Alle wollen von dem großen Kuchen etwas abbekommen. Wie sich der Kuchen dann verteilt, ist unklar. Sicher werden auf diesem Wege auch einige Unternehmen den Markt wieder verlassen. Aber wir gehen von mindestens 50 Anbieter (Als Gruppe oder mit Risikokapitalgeber) aus, die es professionell versuchen werden. Wir werden den Markt weiter beobachten und berichten, wer es dann in 5 Jahren geschafft hat, wer Geld verdient und wer auf der Strecke geblieben ist.

 

Fazit:

Aus unserer Sicht ist das Internet-Business noch kein profitables  Geschäft. Wenn Sie sich hieran beteiligen, arbeiten Sie mit Kapital, dass Sie an anderer Stelle nicht benötigen (Risiko-/Spekulationskapital).

Wir sehen die Zukunft der Augenoptiker im „stationären“ Handel. Der Kunde sollte ins Geschäft kommen. Alle Ihre Anstrengungen, die Ihrer Partner und Verbände sollten darauf gerichtet sein, dass Ihre Marketingmaßnahmen den Kunden dazu auffordern, ins Geschäft zu kommen und nicht im Internet zu bestellen.

Die Augenoptik ist eine faszinierende Branche, mit tollen Produkten und Innovationen. Die Ertragschancen sind hier ein Vielfaches höher als im Internet. Motivieren Sie Ihre Mitarbeiter (falls sie es nicht schon sind), die Produkte leidenschaftlich an den Kunden heranzutragen. Es gibt so viel über die Produkte zu erfahren, Informationen und Sehberatungen, die das Internet nicht leisten kann. Leben Sie Qualität in der Sehberatung, verkaufen Sie Qualitätsprodukte und erklären Sie Ihren Kunden die Vorteile und seien Sie professionell in der Betreuung Ihrer Kunden. Die Menschen lieben Qualität und werden Ihre Arbeit weiterhin schätzen, wenn Sie Ihre Kompetenzen leben und kommunizieren.

 

Verfasser:

Wolfgang Krista
Unternehmensberatung Wolfgang Krista
Königswinterer Str. 833, 53227 Bonn

Tel.: +49 (228) 323017-0
E-Mail: info@ibu-optik.de
www.ibu-optik.de

Zur Person:
Dipl.-Betriebswirt Wolfgang Krista arbeitet seit über 20 Jahren als Berater und Dozent und ist freiberuflicher Unternehmensberater in der Augenoptik. Beratungen werden z.T. staatlich gefördert und die Beratungskosten im Einzelfall bis zu 25, 50, 75 oder 90% durch EU Mitteln unterstützt.

Qualifikationen:
Studium der Betriebswirtschaft und Marketing, Dozent für Marketing und Werbebetriebslehre, über 20 Jahre beratende Tätigkeiten in den Bereichen Betriebswirtschaft, Marktentwicklung, Existenzgründung, Kauf und Verkauf von Unternehmen, Leiter diverser Erfahrungsgruppen, registrierter Berater der KfW bzw. NBank.

 

Als registrierter KfW Berater berät Dipl.-Betriebswirt Wolfgang Krista u.a. folgende Programme:

• Existenzgründung und -festigung
• Gründercoaching Deutschland (für Jungunternehmer bis 5 J. nach Gründung)
• Unternehmensplanung (Finanz- und Liquiditätsplanung)
• Marketingplanung
• Kauf und Verkauf von Unternehmen
• Unternehmensbewertung und Vermittlung
• Mitarbeiterschulung.